Bildung von Einwohnermeldeamts-Stichproben für sozialwissenschaftliche Studien
Eine Einwohnermeldeamts-Stichprobe ist eine Melderegisterauskunft über eine Vielzahl nicht namentlich bezeichneter Einwohner (Gruppenauskunft) aus den Melderegistern der Gemeinden/ Städte. Es besteht eine besondere Voraussetzung: Das Projekt muss im „öffentlichen Interesse“ liegen, was im Regelfall bei Aufträgen staatlicher Institutionen und Bundesbehörden der Fall ist.
Stichprobenbildung
Aus der definierten Grundgesamtheit wird in einem zweiteiligen Verfahren eine Zufallsstichprobe gezogen, indem zunächst eine Stichprobe von Gemeinden gebildet und anschließend durch die Meldebehörden Personenadressen aus den Einwohnermelderegistern zufällig ausgewählt werden.
Grundlage für die Ziehung in der ersten Stufe ist die von BIK ASCHPURWIS + BEHRENS jährlich aktualisierte Gemeindedatei mit dem Gebietsstand jeweils zum 31.12.; dieser Gebietsstand wird als Jahresendstand mit dem Statistischen Bundesamt abgestimmt.
Die Sachdaten zur Bevölkerung basieren auf der laufenden Bevölkerungsfortschreibung (LBF) der Statistischen Landesämter.
Die Ziehung der Gemeinden erfolgt auf der Grundlage eines Allokationstableaus mit der Schichtung nach Bundesländern oder Kreisen und der Untergliederung in 7 bis 10 Gemeindegrößenklassen, politisch oder nach BIK-Regionen; bei der Einteilung nach BIK-Größenklassen wird die Verflechtung in der Siedlungsstruktur zwischen Kernstädten und ihren Umlandgemeinden in der Stichprobenanlange berücksichtigt.
In der Stichprobenanlange sind darüber hinaus zwei Aspekte zu nennen:
- Binnendifferenzierung in den Großstädten auf Stadtbezirksebene
- regionale Klumpung in Abhängigkeit von der Stichprobengröße
BIK ASCHPURWIS + BEHRENS hat zum Beispiel für das Robert-Koch-Institut ein Gutachten zum Vergleich verschiedener Stichprobenpläne für Einwohnermeldeamts-Stichproben auf Kreisebene erstellt; tritt aber auch als Dienstleister für den Aufbau und die Beschaffung von Einwohnermeldeamts-Stichproben auf.
Geänderte Rechtsgrundlage
Mit dem Inkrafttreten des Bundesmeldegesetzes am 1. November 2015 wird § 46 BMG zur gesetzlichen Grundlage der Ziehung von Stichproben für Umfragen. Hierzu gibt es den Entwurf einer allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Bundesmeldegesetzes (BMGVwV) vom 2. März 2015 auf die Vorschriften in Nr. 33 zu § 46 BMG „Gruppenauskunft“ und in Nr. 34 zu § 47 BMG „Zweckbindung der Melderegisterauskunft“.
Wir beziehen uns hierbei auf die Stellungnahme des ADM vom 17. März 2015 und eigene Erfahrungen zur Ziehung von Stichproben auf Basis von Melderegisterinformationen.
Generelle Anforderung
Eine Melderegisterauskunft über eine Vielzahl nicht namentlich bezeichneter Einwohner (Gruppenauskunft) darf nur erteilt werden, wenn ein öffentliches Interesse besteht. Diese generelle Anforderung bleibt bestehen!
Das öffentliche Interesse muss nachgewiesen werden. D. h., dass bei in Auftrag gegebenen wissenschaftlichen Studien der Auftraggeber durch die Projektbeschreibung/-dokumentation das öffentliche Interesse nachzuweisen hat. Von Auftragnehmern (Forschungsinstituten) kann im Einzelfall eine Unbedenklichkeitsbescheinigung gefordert werden.
Stichprobe / Antrag / Prüfung
Im zweistufigen Stichprobendesign werden in der ersten Stufe Gemeinden als sog. „Sample Points“ ausgewählt und bei den zuständigen Meldebehörden die Gruppenauskünfte für die zu befragenden Personen beantragt.
Bisher reichte es aus, wenn das beauftragte Forschungsinstitut den zuständigen Meldebehörden eine vom jeweiligen Innenministerium/Innenbehörde des Bundeslandes, in dem es seinen Sitz hat, ausgestellte Unbedenklichkeitsbescheinigung sowie ein Empfehlungsschreiben des Auftraggebers vorgelegt hat. Unbedenklichkeitsbescheinigungen werden von den Landesbehörden überwiegend nicht mehr ausgestellt. Ausnahme: konkrete Prüfungsfälle für beantragte EWS.
Ob das öffentliche Interesse vorliegt, wird entweder von der ausgewählten Gemeinde oder einer dazu bestimmten Aufsichtsbehörde oder einer Landesbehörde geprüft. Im Prüfungsverfahren können weitere Unterlagen eingefordert werden wie z.B. der Fragebogen.
In Nr. 33 BMGVwV ist vorgesehen, dass bei Anfragen an mehrere Meldebehörden eines Landes durch eine gemeinsame Prüfstelle das öffentliche Interesse einheitlich festgestellt werden soll. Hier muss die Praxis zeigen, dass eine solche Bündelung als Sollvorschrift funktioniert. Das betrifft bei nationalen Stichprobenansätzen auch die länderübergreifende Feststellung des öffentlichen Interesses, für die bisher keine verbindlichen Regelungen getroffen sind. Solange das so ist, liegt der Ermessensspielraum bei den angefragten Kommunen. Und hier gibt es aus Erfahrung einige „Total-Verweigerer“. Aber auch im „Normalfall“ kann es durch personelle Unterbesetzung, zusätzliche Aufgaben bei Wahlen oder Softwareumstellungen zu erheblichen Beeinträchtigungen in der Bearbeitung kommen.
Mit dem Wegfall der Unbedenklichkeitsbescheinigungen und dem BMG als neuer gesetzlicher Grundlage insbesondere zur Feststellung des öffentlichen Interesses hängt die Realisierung von Einwohnermeldeamtsstichproben vom administrativen und zeitlichen Aufwand sowie den uneinheitlichen Gebühren- und Verrechnungssätzen ab.
Ansprechpartner:
Kathrin Wiese
Telefon: (040) 41 47 87 – 23
E-Mail: wiese@bik-gmbh.de